Beobachten statt Bewerten
Umgang mit schwierigen Zeitgenossen
Neulich
hatte ich ein Präsentations-Seminar mit dem Titel „Vorne stehen und punkten“.
Die zwölf Teilnehmer waren allesamt in der öffentlichen Verwaltung. Schon kurz
nach der Begrüßung wollte ein Teilnehmer wissen: „Wie halten wir es mit der
Ansprache? Du oder Sie?“ Gute Frage, die ich üblicherweise in Seminaren für
Verwaltungsangestellte aus Städten, Gemeinden und Ministerien nicht mehr stelle.
Nachdem ich in einigen Schulungen das „Du“ vorgeschlagen hatte und nur
irritierte Blicke als Antwort bekommen habe.
Also was tun? Ich spielte die Frage an die Gruppe zurück: „Das mit der
Ansprache ist ja immer ein heikles Thema. Manche mögen das Du, für andere ist
es ein No-Go, ein Tabu. Daher möchte ich nun gerne von Ihnen wissen, wie wir es
handhaben. Für mich ist sowohl die Sie- als auch die Du-Ansprache machbar.“
Erst einmal nur Schweigen. Dann meldeten sich fünf, sechs Teilnehmer und
plädierten für das „Du“. Ein paar andere entschieden sich darauf auch für die
persönlichere Anrede, „na ja, dann schließen wir uns der Mehrzahl an.“ Prima.
Doch zwei Frauen – die eine links außen, die andere rechts außen von meiner
Dozentinnen-Position aus gesehen – konnten sich dafür nicht erwärmen. „Kein
Problem“, sagte ich, „dann bleiben wir beim Sie.“
Ich machte mit meinem Programm weiter. Die Vorstellungsrunde ist üblicherweise
gleich ein erster Auftritt, die erste Präsentation vor Publikum. Und schon
danach duzte mich die Teilnehmerin rechts außen. „Jetzt kenne ich dich ja
besser.“ Gut. Die Frau links außen blieb beim Sie. Nicht nur das: Mit
missmutigem Gesichtsausdruck ließ sie das Seminar über sich ergehen. Sie
blätterte im Skript, tippte ausgiebig auf ihrem Smartphone oder tuschelte mit
ihrer linken Sitznachbarin, einer Kollegin von ihr. Ansonsten Desinteresse.
Nach jeder Pause kam Ilona Meier (Name geändert) zu spät, bei Übungen machte
sie nicht mit. Ein anderer Teilnehmer, Nikolaus Eiller (Name geändert), ebenfalls
speziell. „Ich beziehe mich rein auf Fakten und Zahlen. Bilder oder so was
brauche nicht. Außerdem geht das bei uns nicht“, sagte der Regierungsdirektor
eines bayerischen Ministeriums. Wie gesagt, es ging im Seminar um wirkungsvolle
Präsentationen und Auftritte vor kleinen und großen Gruppen.
Gemeinhin werden solche Seminarteilnehmer als schwierig bezeichnet. Sie kennen
sicher auch solche schwierige Menschen, oder? Es gibt sie unter Kollegen,
Vorgesetzten oder in der Nachbarschaft. Kein Grund zum Verzweifeln. Denn es
gibt Möglichkeiten, damit souverän umzugehen. Eine Methode, die ich anwende und
die sich bewährt hat, hört sich leicht an, ist jedoch nicht immer ganz einfach:
Beobachten statt bewerten!
Setzen Sie sich in ein Café, in ein Restaurant oder in den Bistrowagen bei
einer Zugfahrt. Schauen Sie die Menschen, die Ihnen begegnen oder die Ihnen
gegenübersitzen, für eine kurze Zeit an. Ohne etwas zu denken, ohne Ihr
Gegenüber zu bewerten, zu beurteilen und einzuschätzen. Wenn Sie jetzt gerade
am Computer sitzen und Internetzugang haben, können Sie auch folgendes machen:
Geben Sie in der Suchmaschine Ihrer Wahl die Begriffe „Bilder und Menschen“
ein. Wenn Sie die Porträtbilder sehen, verfahren Sie genauso wie vorher
beschrieben. Mir hilft diese Technik bei „schwierigen“ Menschen ungemein. Auch
wenn ich zugeben muss: Leichter gesagt, als getan, oder?









